Michalis Reise zu vergessenen Orten im Balkan

Unser Familien- Ausflug zu ein paar vergessenen Orten im Gebirge von Nord Griechenland und der Makedonischen Republik war sehr eindrucksvoll. Unsere Route steuerte uns zuerst in Richtung Dreiländereck Albanien-Griechenland-Makedonische Republik. Unsere Ankunft im freakigem Florina war ein Wonne, wir wurden mit gegrillten Köstlichkeiten (ja, es gab auch schon vegane Spezialitäten..) frischen Salaten mit Herkunft Kreta und golden leuchtenden Sirup- Bällchen zum Dessert empfangen. Der rote Wein aus der benachbarten Region Amindeon hat uns danach dann noch vor dem Schlafen die Lippen ganz dunkel gefärbt. Hatte mich deswegen Nachts im Bad über mein eigenes Spiegelbild erschrecken müssen. Durch das gekippte Badezimmerfenster schallte mir dazu noch eine Hundehochzeit der Umgebung entgegen. Mann musste sich schalltechnisch betrachtet einen unendlich großen Raum vorstellen, in dem sehr viele unterschiedlich klingende Hunde oder Wölfe ohne Unterlass mit vollem Einsatz ihrer Kräfte in die Luft bellten und heulten, sowie aus Westernfilmen bekannt. Dieses Ereignis hatte bis zum Morgengrauen angehalten. Langsam wurde uns allen klar, wir sind weit weg von zuhause.

Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Sonnenaufgang los, vielleicht waren wir sogar die Ersten in Florina die wach waren, noch nicht mal der Hahn hatte gekräht. Intuitiv ging es mit unserem Mietwagen nordwärts und bergauf, die Schilder zeigten Richtung Prespa Lake / Albania. Wenige hundert Meter nach dem Ortsausgangschild war plötzlich alles weiss und es war wieder Winter im tiefen Wald. Oh je, hoffentlich hatte unser gemieteter Opel Winterreifen und welche frostigen Überraschungen erwarteten uns ? Wurde hier überhaupt Salz oder sowas gegen das Eis gestreut ? Gab es eine Lawinengefahr ? Laut einem Warnschild gab es sogar hungrige Bären die auf uns warten – Paranoiaaa 😀
Nach knappen 40 Meilen erstrecken sich vor uns endlich lichte Orte, ein weites Tal mit wiederum Schnee bedeckten Bergen dahinter und ein riesengroßer See. Vor dem See sahen wir endlich die großen Anbauflächen der sagenumwobenen Prespa Bohnen !
Michalis Reise zu vergessenen Orten im Balkan

An dem ersten Aussichtspunkt hatte mich schon die Gänsehaut gepackt: So traumhaft schön, diese friedliche Situation mit Ausblick auf das Dreiländereck, den aus dem Winterurlaub zurückgekehrten Krauskopf-Pelikanen am Himmel, die ehemalige yugoslavische Republik Makedonien auf der einen Seite und die wie mit einem weißen Schaum bedeckten Gipfelspitzen der albanischen Berge auf der anderen Seite. Dazu gab es im Autoradio ein paar Fragmente von Melodien aus dem Balkan, wiedergegeben vom Autoradio, auf Kurzwelle getuned. Waaaahhh ich wollte hier nie wieder weg, aber es ging weiter zu den verheißungsvollen Orten am Seeufer, welche eingehüllt im violett schimmernden Nebel auf uns warteten.
Rechtzeitig waren wir zum Sonnenuntergang wieder bei meinem Cousin in Florina, seine Frau hatte uns passenderweise Bohnen mit Schafkäse serviert. Jetzt waren wir alle platt und nach einem tiefen Schlaf, gefühlt wie eine Sekunde, ging es wieder los. An diesem Tag verließen wir die EU Richtung Ohrid See, Makedonien.
Vor gefühlten 10 Jahren hatte ich das schon mal vor, aber
mein Ausflug endete direkt am Schlagbaum der Landesgrenze.
Mich hatte damals keiner auf die Notwendigkeit eines gültigen Reisepasses beim Grenzübertritt hingewiesen. Ich dachte ein Personalausweis würde genügen. So hatte mich der nicht EU Zöllner direkt aus meiner Karre gezogen und mit einem Blick, ohne zu übertreiben, hatte er zwei mit Maschinengewehr bewaffnete Soldaten zu meiner Bewachung abgestellt.
Ich war so plötzlich, ohne viel gemacht zu haben, eine Gefahr für die ehemals yugoslawische Republik Makedonien geworden. Demensprechend sollte ich in einem auf dem Boden mit weißer Farbe markierten Quadratmeter stehen bleiben und Fragen beantworten. Der hoch mit nationalen Auszeichnungen und Dienstgrad Sternen dekorierte Staatsdiener hat mir mit seinem deutlichen slavophonem Englisch im Imperativ ausgefragt und mir gedroht. Hände sichtbar und Quadrat nicht verlassen. Nach ungefähr einer Stunde kam er mit meinem Personalausweis wieder zurück und belehrte mich so etwas nie wieder zu versuchen !
Nun, diesmal konnte ich frohen Mutes und mit einer Bitte um einen Einreisestempel in meinem jungfräulichen Pass am Zollhäuschen vortreten.  Wie herrlich war der Moment in dem mich eine genervt wirkende makedonische Zollbeamtin in Uniform anblickte. Sie zog an ihrer Filterkippe und der vorne schon abgebrannte Stiel fiel ab, genau in meinen neuen Reisepass hinein. Sie sah mich kritisch an und erfüllte mir meinen Wunsch mit dem Stempel. Nun sind wir endlich in einem anderen Land, einem Land in der kein Versicherungsschutz für unseren Mietwagen greift. Den Wagen schnell noch auf der griechischen Seite geparkt und mit unseren 7 Sachen in der Hand schnell ein Taxi gerufen. Schlag auf Schlag wurde uns immer bewußter wo wir waren. Die Menschen schienen uns in ihrer Art ziemlich rau, dennoch um einiges Herzlicher als angenommen. Der erste Kaffee hinter der Grenze schmeckte auch so richtig schön vollmundig, grob und stark. Mein Kaffee wie immer ohne Leche und Seche(Milch und Zucker)klar, schon kam unser Fahrer Stevo und wir handelten einen Preis aus. Nur 30€ und er fuhr uns den ganzen Tag durch sein Land, abgemacht !

Zuerst bitte an den Ohrid-See, gleich zu einem Hotel am Seeufer.
Schon wieder bekam ich das Gefühl wie in einer Zeitreise zu stecken. Die Menschen, die Schlaglöcher in den Straßen, leckere gefüllte Blätterteigtaschen, der magisch in blau leuchtende See und die vielen Zweieinhalbtausender Gipfelspitzen des Baba-Gebirges um uns herum waren mit der intensiven Dosis Frischluft enorm belebend.
Der Kaymak obendrauf, so nannten Einheimische die schneebedeckten Bergkronen, welche hier wirklich so wirkten wie der geschlagene Schaum in einer Tasse Cappuccino.
Ein besonderer, vergessener Ort in dieser Gegend war das Kloster Sveti Naum.
Michalis Reise zu vergessenen Orten im Balkan
Schon bei der Anfahrt fiehl uns der schwarze Fluß auf, ein Zufluss zum Ohridsee welcher in der Farbe schwarz leuchtete. Die Steine auf dem Flussgrund waren dunkel und glänzend, das kristallklare Wasser mit seltenen Fischgattungen und anderem Getier erhebte bei uns den Eindruck der Fluß wäre schwarz. Die hiesigen Gewässer hatten alle ihren Ursprung in großer Tiefe, selbst der Presper See ist mit dem Ohridsee unter den Bergen miteinander verbunden. Hier gab es ein paar Überbleibsel von manchen Tieren und Pflanzen welche es nur noch hier gab. Tausend Worte genügten nicht die einzigartige Schönheit der Details des Ganzen zu beschreiben. War ich im slawischen Teil Nepals gelandet ?
Noch vor den Toren des Klosters bog ein Weg in Richtung einer Art Genuss und Partymeile für Feinschmecker ab. Hier wurde uns ein scheinbar nach traditioneller Bauart hergestellter Waldsee Vergnügungspark angeprießen.
Neben den vielen Buden mit regionalen Köstlichkeiten im Angebot, wie z.B. gegrillter Aal am Spieß oder der vom obersten Patriachen gesegnete Rotwein, bot sich ein überdachtes Floß mit Leder Sitzgarnitur an, gemietet zu werden. Hier konntest du dir, zu welchem Anlass auch immer, während der Fahrt auf dem schwarzen, sich in Richtung albanische Grenze schwimmende Floß ein Brot backen, bei Bedarf auch Fisch und Fleisch  zubereiten lassen. Dazu den feinsten Tropfen der Region mit live Musik von einer traditionellen Balkan Band gespielt, servieren lassen. Unglaublich ! Im sogenannten Himmel sollte es schöner sein ?
Im Kloster war es wieder eine Nummer frommer und verhaltener. Jedenfalls bis mir ein laut schillender Ruf eines Tieres entgegenschallte. Das Geschrei war mir bekannt, dachte ich, es hörte sich an wie der Ruf eines Pfau, letztmalig im Ruigoord Amsterdam gehört. (Aber das war eine andere Geschichte..) Siehe da, ein stolzer, mit voll ausgebreiteter Federpracht in meine Richtung stierender Vogel Pfau. Er rasselte laut und bedrohlich mit seinem Körperapparat und kam mit schnellen Schritten in meine Richtung gesprungen. Schnell flüchtete ich auf sichere Distanz. Das plötzlich aufgetauchte Federvieh mit seinen riesigen bunten irgendwie gefährlich psychedelisch anmutendem Federfächer lähmte mich im ersten Moment. Der wollte mich ganz klar von etwas abhalten, nur von was ? Dem Kloster Sakrileg, einer Hostie oder eine Ikone ?
Meine Gefährtin rief mir zu: Schau mal da, ein weißer Pfau !
Michalis Reise zu vergessenen Orten im Balkan
Weißer als weiß glitzerte das Federkleid, wie in einem Märchen.
Taxifahrer Stevo holte mich mit den Worten “i show you something” in das Innere, der gewürdigten Stelle der heiligen Mauern, der inneren Kapelle. Stevo war ein cooler Typ, wußte seine Heimat betreffend fast alles, aber auch alles andere das auf unserem Globus passiert ist, war ihm nicht fern. Sein Wesen war gemütlich, ruhig und er schien mir mit allem was so anfiel, kompetent umgehen zu können. Er steuerte uns zielstrebig durch ein kleines Ur- uraltes verschachteltes, mit vielen Kerzen und kompletter Ikonostase versehene Gemäuer. Man spürte wie Menschen hier schon viele Jahre zum Beten und Fürbitten sprechen gekommen waren. Die Atmosphäre in den heiligen Mauern wurde von dem Kerzengeruch, wahrscheinlich hergestellt mit Bienenwachs aus den das Kloster umgebenden Kieferwäldern, geprägt.
Wenn Mauern sprechen könnten, hätten sie hier viel zu erzählen. Stevo hüpfte die Treppen zum Heiligtum, dem Sarkophag des heiligen Naum, hinauf, kniete sich davor zu Boden nieder und legte sein Ohr für ein paar Sekunden auf den mit rotem Stoff bedeckten Deckel. Er stand danach wieder auf und deutete mir mit seiner Hand, daß ich es auch mal versuchen sollte. Ich tat ihm nach und verstand was das Spiel sollte. Deutlich konnte ich einen klaren Herzschlag vernehmen. Erschrocken stehe ich wieder auf und fragte mich was hier schon wieder los war. Das Tempo der Herzschlagfrequenz bezifferte ich direkt mit 85 BPM und war mir sicher, das die Geschichte vom heiligen Naum eine wahre sein mußte.

Nach ein Paar weiteren Tagen Exkursion am Pelister Mountain
und Bitola City hatten wir endlich unsere Neugierde auf alte Zeiten und besondere, fast vergessene Orte im Balkan System gestillt bekommen. Stevo hatte uns zum Abschied bis an die griechische Grenze, nahe dem Ort Niki, gefahren. Unser Mietwagen parkte hoffentlich noch auf der anderen Seite, in Griechenland. Wir waren durchlebt und bepackt mit unseren getragenen Klamotten und den vielen Begehrlichkeiten, wie z.B- Honig aus einem nicht EU Land oder dem original Pelister Bergtee. Jetzt bloß keine Fehler machen, einfach den Reisepass deutlich vorzeigen. Die Zöllner hier und auf der anderen Seite der Landesgrenze hatten uns schon beäugt, von wegen wer kommt denn da ?
Die Einheimischen hatten lange nichts mehr über Reisegruppen in ihrer Region gehört, deswegen liefen wir einfach weiter und liessen uns nichts anmerken. Das prüfende Auge hatte zwar unsere “Schmuggel Ware” erblickt, sie aber mit einem herzlichen Lächeln genehmigt.
dobre und endaxi.

Wieder zurück in Griechenland, konnten wir die Nachmittag Sonne in Florina am Ufer des Sakuleva River in einem der paar wenigen aber sehr charismatischen Cafe´s genießen.
Michalis Reise zu vergessenen Orten im Balkan
Der Baustil der Wohnhäuser dort war für mich nicht klar zu definieren, aber im großen und ganzen schien es uns wie eine Mischung der Baustile aus verschiedenen Epochen. Man konnte hier ohne Fachwissen annehmen was vielleicht mal bei den Slawen, was bei den Türken, den Illyrern oder bei den Griechen architektonisch so angesagt war. Zwischen den intakten Häusern lagen oft leerstehende Zwischenräume oder stark verfallene Häuser. Es bestand scheinbar kein Interesse oder eine finanzielle Möglichkeiten für eine Restauration zur Verfügung. In diesem Moment aber wirkte unsere eigentlich traurige Umgebung mit der wärmenden Frühjahr Sonne am Sakuleva River zur Chai- Menta time trotzdem einzigartig und nostalgisch schön. Die gesamte Gegend schien mir unter anderem wegen ihrer intensiven Geschichte, mental zu vibrieren.

Noch an diesem Abend, in dieser Nacht ging es für mich ebenfalls an das mentale Vibrieren. Nach dem Sonnenuntergang, es war noch am frühen Abend, wurde ich unheimlich unruhig, so mit Kribbeln im Bauch, trockenem Mund und hilflosen Gedankengängen, welche im Nichts endeten Es hatte uns doch keiner etwas in den Tee gemacht ? Quatsch, der Tee am Nachmittag hatte nur etwas zu kurz gezogen und wirkt demnach stark anregend, also genau richtig. Heute Nacht werde ich 40 Jahre alt ! Mein dramatischer Gedankengang wurde von einem lauten, mir schon mal auf dem Bazar in Florina aufgefallenem Pfeifen, abgelenkt.
Seit dem ich hier in Florina war, begegnete mir die gepfiffene Melodie an verschieden Orten der Innenstadt. Es gab Jemand, der eine bestimmte Melodie pfiff. Eine einprägsame und kesse Melodie, welche man nicht vergessen konnte. Jedes mal wurde sie laut und deutlich, harmonisch, in jeder Beziehung perfekt gepfiffen. Klar, ich wollte unbedingt wissen wer das hier in Florina warum und wo pfiff und von welchem Lied die Melodie her stammte. Wie es so kam, erkannte meine Freundin aus Madrid direkt das Lied und hatte mir gleich ein spanisches Kinderlied vorgesungen. Wie bitte, fragte ich, was singst du da und lachst dabei so ausgelassen? Ach so, das Pinocchio Lied war ihr vom Kindergarten bekannt, wusste ich es doch. Später erfuhr ich auch wer mit dieser Performance durch die Straßen zog. Mein Cousin kannte als Einheimischer den Pfeifer, er sei so ein Trellos, ein Durchgedrehter der sowas schon immer machte.
Nun, vielleicht war das auch ein Zeichen, ein Zeichen mir endlich vernünftige Gedanken machen zu müssen anstatt mich mit so infantilen Dingen zu beschäftigen, oder eben genau das Gegenteil. Auf jeden Fall vergingen die Stunden und ich fand mich in einem modernen, geschmackvollen Hipster Restaurant mit vilen meinen Verwandten aus der Region wieder. Im Detail schien mir die Einrichtung bemerkenswert. Alles wurde einerseits klassisch mit viel Holz im schönen Stil und andererseits etwas avantgardistisch eingerichtet. Mit der Speisekarte in kleingeschriebener griechischer Schrift, ich konnte fast nur Großbuchstaben lesen, welche sich mit ausgefallenen Rezeptideen und seltenen Begriffen, die mir nicht bekannt waren, schmückte. Es hat ein paar Minuten gedauert und ich verstand das es sich hier um bekannte klassische regionale Gerichte handelte, welche im Rahmen dieser newschool Gaststätten Idee einfach editiert,also verändert, wurden. Mir fällt es aktuell schwer mich daran zu erinnern, es war so etwas wie warmer Souvlaki Salat, rote Paprika mit abgelöster Haut auf Octopus Filet in Senfsoße oder heißer, in getrockneten Tomaten eingewickelter Schafkäse auf eiskaltem Kartoffelsalat in Form eines Ufo´s. Sehr gut ausgewählt war auch der Rotwein, er war sehr trocken und süffig zugleich..

Am nächsten Tag war es uns allen flau im Bauch, ich glaubte der letzte Drink war nicht mehr gut. Zügig hatten wir uns von allen Freunden und Verwandten verabschiedet. Ich konnte Abschieds Zeremonien überhaupt nicht ausstehen. Außerdem rufte die Spinat/Feta Blätterteig Pita zum Frühstück und ein gekühlter Aprikosensaft zum brandheißen nordgriechischen Kaffee. Ach ja, dann noch Abschied von der französischen Spiegelbude nehmen und los ging es in Richtung Thessaloniki, meine Stadt der Städte. Wie gewohnt suchten wir ein rentables Zimmer in Agias Trias im Nice View Hotel.
Hier gibt es wegen der Biegung des Ufers im richtigen Winkel mit korrektem Abstand zur Stadt den goldenen Ausblick nach Thessaloniki. T-36 Stunden bis der Flieger nach Frankfurt, Alemania geht, also rein ins Vergnügen der Stadt und ach ja, es gab da ja noch die finanzielle Reserve, versteckt in meinem Hosengürtel Geheimfach, hehehe

Michalis Reise zu vergessenen Orten im Balkan

 Bericht von Michalis Boumbalis März 2017